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Über das Projekt

 

 

Unter der Leitung der Altgermanisten Prof. Dr. Klaus Ridder (Tübingen), Prof. Dr. Paul Sappler (Tübingen; † April 2010) und Prof. Dr. Hans-Joachim Ziegeler (Köln) haben von 2009 bis 2017 zwei Arbeitsgruppen am Deutschen Seminar der Eberhard Karls Universität Tübingen und am Institut für Deutsche Sprache und Literatur I der Albertus Magnus Universität Köln an dem Projekt „Edition und Kommentierung der deutschen Versnovellistik des 13. und 14. Jahrhunderts" gearbeitet. Als sogenanntes ‚Leuchtturmprojekt‘ wurde das Langzeitprojekt acht Jahre durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft gefördert.

Das Projekt schließt die letzte größere editorische Lücke für das Genre deutschsprachige Versnovellistik. So sind zwar, vor allem durch die Editionen Hanns Fischers, die Verserzählungen des Strickers aus dem 13. Jahrhundert ebenso gut aufbereitet wie die Versnovellistik des 15. Jahrhunderts; eine ganze Reihe von Texten des 13. und 14. Jahrhunderts werden jedoch bisher kaum in die aktuelle Diskussion einbezogen, weil sie nicht in leicht zugänglichen Ausgaben verfügbar oder überhaupt noch nicht ediert sind. Die Ergebnisse des Editionsprojektes werden erstmals auch ein umfassendes Bild der Versnovellistik des 13. und 14. Jahrhunderts vermitteln. Damit wird eine Forschungslücke geschlossen und zudem für weiterführende Arbeiten in diesem Feld eine wichtige Grundlage geschaffen.

Ziel des Projektes war die Edition und Kommentierung der deutschen Versnovellistik (‚Mären’) des 13./14. Jahrhunderts. Es handelt sich um 174 Erzählungen mit ca. 58.500 Versen an ediertem Text; insgesamt sind ca. 172.000 Verse überliefert. Das Corpus umfasst die 113 von Heinrich Niewöhner für sein ‚Neues Gesamtabenteuer’ vorgesehenen Stücke, von dem nur ein erster Band mit 37 Stücken 1937 erschienen ist (eine zweite Auflage mit Lesarten erschien 1967). Weil Niewöhners Editionsprinzipien aus heutiger Sicht der Spezifik des Genres nicht gerecht werden, werden zu den 76 nicht edierten Texten auch die 37 aus dem ersten Band des ‚Neuen Gesamtabenteuers’‚ bearbeitet. Hinzu kommen 61 Stücke aus dem Überlieferungsumfeld, die bisher aus einer dem Genre unangemessenen, rigoristischen Auffassung von literarischen Gattungen nicht berücksichtigt wurden. Ausgeschlossen sind aus pragmatischen Gründen Texte, die in Autor- und Corpusausgaben in jüngerer Zeit ediert worden sind.

Die Editionsarbeit zielt nicht auf die Rekonstruktion eines Autortextes oder eines Archetyps, sondern auf eine Gebrauchsfassung der Texte. Den Editionstext begleiten ein textkritischer Apparat und ein Stellenkommentar, der die Textgestaltung rechtfertigt, Verständnishilfen gibt und so Fachleuten, Studierenden und Nichtfachleuten den Zugang erleichtern soll. Im Anschluss an jede Erzählung folgt ein Allgemeinkommentar, der Informationen zu Überlieferung, Ausgaben, Textkritik und Editionsform, Stofftradition, Motivik und Beziehungen zu anderen Texten bietet. Um die Texte auch der komparatistischen und internationalen Forschung zugänglich zu machen, besteht eine Kooperation mit Dr. Sebastian Coxon (London), der englische Übersetzungen der Texte erarbeitet hat. Die Anlage der Edition orientiert sich an der Überlieferung der Texte. Die Stücke des Corpus folgen in ihrer Anordnung der jeweils ältesten sie überliefernden Handschrift, wobei verschiedene Fassungen einer Verserzählung beieinander stehen. Der Editionstext steht bei einfacher Bezeugung nahe bei der Überlieferung, sonst aber kommt das Leithandschriftenprinzip zur Geltung: bei stark divergierender Überlieferung durch Parallelwiedergabe mehrerer hervorgehobener Zeugen, im anderen Fall durch die Herausstellung eines maßgebenden Zeugen.

Die Edition wird sowohl als Buchausgabe wie als elektronische Edition veröffentlicht. Die Buchausgabe besteht aus vier Teilbänden plus einem Band mit Angaben zu den Textzeugen, Registern und einem Glossar, sowie einem Band mit englischen Übersetzungen der Texte; sie bietet die Editionstexte mit Apparaten und Kommentaren zum intensiven Studium. Die elektronische Edition wird im Netz verfügbar sein. Über sie werden zusätzlich auch Faksimiles der Leithandschriften und Transkriptionen der Apparatzeugen verfügbar.